Sie haben einmal gesagt, dass in einer langjährigen Beziehung fast jedes Paar an den Punkt kommt, an dem der Sex zumindest einen Partner nicht mehr glücklich macht. Aus Ihrer Erfahrung als Coach: Was sind dafür die häufigsten Gründe?
Das ist übrigens keine These von mir sondern Ergebnis der Sexualforschung. Der Grund dafür ist zum einen, dass wir wie gesagt mit der falschen Erwartung rangehen, weil wir etwas völlig falsches gelernt haben. Zum anderen ist da die Tatsache, dass man die Sexualität in der Beziehung nicht abkoppeln kann vom restlichen Leben. Gerade wenn sich im Laufe der Jahre die Umstände in einer Partnerschaft verändern – Verantwortung, Routine und Druck nehmen zu, mit Stress, Lebensversicherungen, Kindern.
Alltag als Lustkiller.
Es ist doch so: Wenn Sie versuchen, eine Blume auf einem Betonboden zu pflanzen, dann wird das nicht klappen. Der Boden ist nicht nahrhaft und die Pflanze wird eingehen. Genauso ist es, wenn Paare nur noch vor dem Fernseher hängen, sich nicht mehr richtig unterhalten – da fehlt der Raum für eine schöne Beziehung und auch für eine schöne Sexualität. Wenn wir das wollen, müssen wir unser Leben wieder zu einem saftigen Boden machen.
Und das heißt?
Wir müssen genau angucken: Sind wir dauernd im Stress, dauernd am Streiten, ist da eine Sprachlosigkeit zwischen uns? Und nehmen wir unseren Mut zusammen, lassen ein paar Sachen los und machen es uns wieder schön?
Viele Paare kommen genau mit dieser Problematik zu Ihnen. Wie gehen Sie hier vor?
Ein Punkt ist, dass ich auf ihren Alltag schaue und wir gemeinsam überlegen, wo sie bereit sind, wirklich etwas zu verändern. Oft ist da bei Männern und bei Frauen ein zu großes Harmonie-Bedürfnis und die Angst, dass es Stress gibt, wenn sie über Probleme reden. Gerade Frauen zweifeln oft an ihrer Sexualität und glauben, mit ihnen sei etwas falsch, aber trauen sich nicht, etwas zu sagen.
Womit wir wieder bei den Annahmen und Glaubenssätzen wären.
Genau, in der Arbeit schaue ich immer auch auf die Prägungen und Verletzungen in der eigenen Geschichte. Die meisten ahnen nicht, wie massiv die in die Beziehung hineinwirken. Das sind im Coaching oft Momente der Erleichterung, wenn jemand entdeckt, dass in seinem Unterbewusstsein – was immerhin 95% des Bewusstseins ausmacht – Glaubenssätze versteckt sind wie: Nähe, Zärtlichkeit, das ist gefährlich, das kann mich verletzen. Wenn wir diese Sätze anschauen und versuchen, sie aufzulösen, ist das für viele eine berührende Erfahrung, weil sie merken: Mit mir ist nichts falsch, da ist nur eine Geschichte in meiner Erinnerung, die ich jetzt in den Arm nehmen kann. Und plötzlich bin ich frei, für meinen Partner, aber auch für meinen eigene Körper, für mein Herz.
Autorenbild: Boris Breuer