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Kalender Aktualisiert:01. Feb 2024

Von Narzissmus haben die meisten schon einmal gehört, aber was hat es mit dem Co-Narzissmus auf sich? Was viele nicht wissen ist, dass es in Beziehungen mit einem Narzissten meist einen Gegenpart gibt, der als Opfer gesehen wird, sich jedoch genau diese Rolle ausgesucht hat. Mehr dazu erfährst Du hier.

 

Was ist Co-Narzissmus?

Unter Co-Narzissmus, oder auch Komplementär-Narzissmus, versteht man den Gegenpart zum Narzissmus. Den Begriff hat der Schweizer Psychotherapeut Jürg Willi geprägt.

Co-Narzissten und Co-Narzisstinnen sind süchtig danach, gebraucht zu werden. Deshalb finden Narzissten in einem Co-Narzissten die perfekte Ergänzung. Ein Co-Narzisst sucht genau das, was der Narzisst zu bieten hat und bietet das, was der Narzisst braucht. Damit sind Co-Narzissten das perfekte Opfer und der ideale Spielball.

 

Wie verhält sich ein Narzisst?

Das Verhalten von Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist geprägt von:

  • Selbstdarstellung
  • Bewunderungssucht
  • Manipulation
  • Empathielosigkeit
  • mangelnder Selbstreflexion

Sie können mit Kritik nicht umgehen und reagieren mit Beleidigungen. Um sich selbst zu erhöhen, erniedrigen sie andere. Ihr geringes Selbstwertgefühl kompensieren sie durch die Bewunderung, die ihnen andere entgegenbringen.

Sie inszenieren sich gerne als charmant und gönnerhaft, vertuschen mit Statussymbolen jedoch die eigene Unsicherheit. Spielen andere nicht nach ihren Regeln, werden sie aggressiv und wütend. Läuft etwas schief, sind immer die anderen schuld.

Wie verhält sich ein Co-Narzisst?

Co-Narzissten verhalten sich genau entgegensetzt zu Narzissten:

  • Sie sorgen sich immer um das Wohl der anderen und nicht um das eigene.
  • Sie streben übermäßig nach Harmonie und gehen Konflikten aus dem Weg.
  • Sie sind sehr empathisch.
  • Sie wollen es immer allen recht machen.
  • Sie passen sich anderen an und geben eigene Bedürfnisse auf.
  • Sie ordnen sich lieber unter, als selbst zu bestimmen.
  • Sie suchen die Schuld immer bei sich und haben große Selbstzweifel.
  • Sie überreflektieren ihr eigenes Verhalten.
  • Sie sind äußerst unsicher und lassen sich lieber von anderen führen.
  • Sie sehen in anderen nur das Gute und erkennen lange nicht, dass sie ausgenutzt werden.
  • Sie können keine Grenzen setzen
  • Sie sind emotional abhängig von ihrem Partner.
  • Sie verzeihen schnell, sind jedoch nachtragend.
  • Sie üben keine Kritik am anderen und passen lieber ihr eigenes Verhalten an.
  • Sie sind bescheiden und haben keine großen Ansprüche.

Co-Narzissten haben Angst davor, alleine zu sein und verlassen zu werden. Deshalb setzen sie alles daran, anderen zu gefallen, sind hilfsbereit bis zur Selbstaufopferung und lassen sich sehr viel gefallen, ohne Nein zu sagen und klare Grenzen zu setzen. Durch die Grandiosität des Narzissten fühlen sie sich selbst aufgewertet.

Sie gehen ganz in der anderen Person auf und stellen keine eigenen Ansprüche. Der mangelnde Selbstwert wird durch den Erfolg des Partners aufgewertet. Denn auch Co-Narzissten haben den Drang, bewundert zu werden, und tragen somit ebenfalls narzisstische Anteile in sich.

Narzissten nutzen dieses Verhalten eiskalt aus, da sie keine Empathie für andere empfinden und sich als Mittelpunkt der Welt verstehen. Eine unterwürfige Partnerin kommt ihnen sehr gelegen, da sie keine Widerworte und Konflikte zu befürchten haben. Die Bewunderung ist ihnen sicher. Durch Erniedrigung der anderen Person können sie sich selbst erhöhen.

Co-Narzissten erkennen meist erst viel zu spät – wenn überhaupt – welch böses Spiel mit ihnen und ihren Gefühlen getrieben wird. Da sie in jedem Menschen das Gute sehen, ist es für sie unvorstellbar, dass jemand so egoistisch und eigennützig sein kann und ihre Aufopferung missbraucht. Geht eine Beziehung in die Brüche, neigen Co-Narzissten immer wieder dazu, erneut eine Beziehung mit einem Narzissten einzugehen.

Ein Großteil der grandiosen Narzissten ist männlich, Co-Narzissten sind hingegen überwiegend weiblich. Seltener ist es andersherum. Treffen beide aufeinander, entsteht eine toxische Beziehung, in der sich Co-Narzissten mehr und mehr aufopfern. Sie lassen sich vom Narzissten blenden und bewundern ihn für seine Grandiosität, unterwerfen sich seinen Ansprüchen und lassen sich als Spielball benutzen. Beide brauchen sich, sind jedoch nicht gut füreinander.

Vor allem der Co-Narzisst in der Beziehung leidet langfristig unter dem emotionalen Missbrauch. Eine Beziehung auf Augenhöhe ist beiden nicht möglich. Statt inniger Liebe und echten Gefühlen besteht eine gegenseitige Abhängigkeit.

Co-Narzissmus wird deshalb auch mit einer Co-Abhängigkeit verglichen, bei der Angehörige von Suchtkranken das Fehlverhalten der Abhängigen ausbügeln. Sie lügen und vertuschen die Realität, um nach außen hin den Schein zu wahren.

Warum bin ich ein Co-Narzisst?

Warum jemand zum Co-Narzissten wird, hängt mit der frühkindlichen Prägung zusammen – genau wie beim Narzissten. Beiden liegt ein geringes Selbstwertgefühl zugrunde, ebenso wie Minderwertigkeitskomplexe, eine früh erworbene Bindungsangst und das Bedürfnis nach Liebe. In gewisser Weise haben also auch Co-Narzissten narzisstische Grundbedürfnisse. Was beide voneinander unterscheidet, ist jedoch der Weg, den sie einschlagen, um diese Bedürfnisse zu stillen.

Ursache ist oft ein narzisstischer Elternteil oder eine mangelnde Autonomie in der Kindheit. Kinder haben zwei Grundbedürfnisse: das nach Autonomie und das nach Liebe. Werden Kinder nicht als eigenständige Wesen großgezogen, können sie kein gesundes Selbstwertgefühl aufbauen.

Lässt ein Elternteil keine eigenständige Entwicklung zu, steht das Kind vor einem Dilemma. Möchte es die Liebe des Elternteils, muss es sich anpassen und darf das Bedürfnis nach Autonomie nicht ausleben. Passt es sich hingegen nicht an und setzt den eigenen Kopf durch, wird es mit Liebesentzug bestraft.

Dieses gelernte Verhalten prägt das weitere Leben und auch die Wahl der Partner. Ein Narzisst sucht in seiner Partnerin einen Mutterersatz, den er in einer Co-Narzisstin findet. Die Co-Narzisstin hingegen sucht nach einer Vaterfigur, die der Narzisst perfekt spiegelt.

 

Wie heilt man Co-Narzissmus?

Im Gegensatz zu den meisten Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung können Co-Narzissten geheilt werden. Da sie überreflektiert sind und ihr Verhalten stark hinterfragen, können sie mit therapeutischer Hilfe daran arbeiten, ihre destruktiven Verhaltensmuster zu erkennen.

Sie lernen ein stärkeres Selbstbewusstsein zu entwickeln, Grenzen zu setzen und eigene Bedürfnisse durchzusetzen. Versteht eine Co-Narzisstin erst einmal, welchem Schema sie bei der Partnerwahl immer wieder folgt, ist es möglich, alte Verhaltensmuster zu durchbrechen. Dafür braucht es jedoch Geduld, ein unterstützendes Umfeld und den Willen, etwas zu verändern.