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Kalender Aktualisiert:16. Oct 2023

Was ist das Hochstapler-Syndrom?

Das Hochstapler-Syndrom, auch Impostor-Syndrom oder Impostor-Phänomen genannt, ist das von Selbstzweifeln ausgelöste Gefühl, Erfolg nicht zu verdienen und ein Hochstapler zu sein. In unserer Gesellschaft ist dieses Phänomen sehr weit verbreitet, vielen Betroffenen jedoch gar nicht bewusst.

Du hast einen tollen Job, verdienst gut, bist erfolgreich, hast eine leitende Position – doch in Dir kommt immer wieder die Angst hoch, dem allen gar nicht gerecht zu werden. Statt Deinen Erfolg zu genießen und Dir selbstbewusst für Deine Leistung auf die Schulter zu klopfen, denkst Du:

  • ich verdiene diesen Job nicht.
  • ich bin nicht gut genug für den Job.
  • ich habe diese Position nur durch Glück oder Beziehungen bekommen.
  • die Leistung, die ich bringe, reicht nicht aus.
  • ich muss mich noch mehr anstrengen, um dem Job gerecht zu werden.
  • irgendwann merken die anderen, dass ich nicht kompetent bin.
  • ich muss die anderen beeindrucken, um nicht aufzufliegen.

Du wirst von der Angst gequält, dass der Schwindel plötzlich auffliegt und andere Deine Unfähigkeit erkennen. Je höher die Position und die Verantwortung, umso mehr steigt auch das Gefühl, den Erfolg nicht zu verdienen. Die ständigen Selbstzweifel und der Druck, den Du Dir selbst machst, können in chronischem Stress, totaler Erschöpfung, noch mehr Selbstzweifeln, ständiger Angst, Depressionen und einem Burnout enden.

Das Paradoxe daran: In Wahrheit bist Du genau das Gegenteil von einem Hochstapler, nämlich ein Tiefstapler. Denn Hochstapler sind Blender, die große Töne spucken, jedoch wenig leisten und erreichen.

Vom Hochstapler-Syndrom sind hingegen höchst kompetente Menschen betroffen, die tolle Arbeit liefern. Du redest Deine großartige Leistung klein, akzeptierst kein persönliches Lob und hältst das Gelingen Deiner Arbeit für reine Glückssache. Dein Umfeld schätzt Deine Fähigkeiten, nur Du selbst erkennst sie nicht.

Wie entsteht das Hochstapler-Syndrom?

Wie das Hochstapler-Syndrom entsteht, ist nicht sicher geklärt. Vermutlich ist unter anderem eine Erziehung zum Perfektionismus die Ursache. Wenn Kinder mit hohen Erwartungen der Eltern aufwachsen, haben sie oft das Gefühl, nicht gut genug zu sein.

Das ewige perfekt sein wollen weckt schnell Selbstzweifel und Versagensängste, wenn die übermäßig hoch gesteckten Ziele nicht erreicht werden können. Darunter leidet das Selbstwertgefühl, das sich nur durch Lob und Anerkennung von außen aufbaut und uns zu selbstbewussten Erwachsenen macht.

Das soziale Umfeld kann auch im Erwachsenenalter einen enormen Leistungsdruck ausüben. Wenn in Deinem Bekanntenkreis gesellschaftliches Ansehen nur durch Karriere und Erfolg akzeptiert wird, vergleichst Du Dich und Deine Leistung permanent mit anderen. Dir geht die Arbeit einfach leicht von der Hand, doch der ewige Vergleich mit den Anstrengungen der anderen verwehrt Dir die Zufriedenheit mit Deiner Leistung.

Warum sind viele erfolgreiche Frauen vom Impostor-Syndrom betroffen?

Dass vor allem Frauen vom Impostor-Syndrom betroffen sind, liegt vermutlich an der Erziehung zu Bescheidenheit und Zurückhaltung. Während sich Jungs für jede Kleinigkeit feiern lassen dürfen, sollen Mädchen vor anderen nicht so angeben und lieber ruhig und brav sein.

Außerdem ist die Erwartungshaltung Mädchen und später auch Frauen gegenüber enorm: Sie sollen gute Noten schreiben, hübsch aussehen, hilfsbereit und freundlich sein, sich um die Familie kümmern und in allem perfekt sein. Sie müssen viel Kritik einstecken, dürfen aber bitte keine äußern. Darunter leidet oft der Aufbau eines gesunden Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls.

In den patriarchalen Strukturen der Geschäftswelt haben Frauen ohnehin nicht viel zu sagen. Während Männer in einer Führungsposition als Selbstverständlichkeit gelten, grübeln Frauen viel häufiger, ob sie dieser Herausforderung gerecht werden können. Immer schwingt das Gefühl mit, sich doppelt anstrengen zu müssen. Da wird es schnell zur Gewohnheit, die eigene Leistung für nicht ausreichend zu halten.

Auch unter Müttern ist das Hochstapler-Syndrom weit verbreitet. Macht das Kind einen Fehler, suchen Mütter die Schuld gerne bei sich. Ist das Kind hingegen brillant, weisen sie jedes Lob und Anerkennung für die gelungene Erziehung von sich.

Was kann ich gegen das Hochstapler-Syndrom tun?

Gegen das Hochstapler-Syndrom kannst Du vor allem zwei Dinge tun: Stärke Dein Selbstwertgefühl und baue Deine Selbstzweifel ab. Vielleicht hast Du gerade zum ersten Mal vom Hochstapler-Syndrom gehört und erkennst Dich in den Verhaltensweisen wieder. Dann beginne, Deine Selbstzweifel und Verhaltensmuster zu hinterfragen und Schritt für Schritt zu ändern:


1. Stärke Dein Selbstbewusstsein

Vielleicht bestimmen negative Glaubenssätze wie „Ich bin nicht gut genug“, „Ich verdiene das nicht“ oder „Ich bin das nicht wert“ Dein Leben. Sie halten Dich klein und lassen Dich Deinen wahren Wert nicht erkennen. Arbeite bewusst daran, diese Glaubenssätze in positive umzupolen, um Dein Selbstbewusstsein zu stärken.
 

2. Erlaube Dir Erfolge

Du hast gerade gute Leistung erbracht, kannst Dich jedoch nicht damit zufriedengeben, weil Du Dich nicht richtig dafür anstrengen musstest? Dann akzeptiere Dein besonderes Talent, dass Dir die Aufgabe leicht von der Hand geht. Genau deswegen hast Du diesen Job bekommen: weil Du es kannst. Du hast den Erfolg verdient, nur musst Du Dir selbst endlich erlauben, auf Dich stolz zu sein.
 

3. Gut ist gut genug

Dein Perfektionismus treibt Dich an, Höchstleistungen zu bringen. Die erwartest jedoch nur Du alleine von Dir. Für andere zählt schon das erzielte Ergebnis ohne Perfektion. Ist die Aufgabe erledigt, hast Du einen guten Job gemacht. Es muss nicht immer eine Eins Plus mit Stern sein. Auch Fehler sind erlaubt.
 

4. Erkenne Deine Erfolge

In Deiner Wahrnehmung überschatten die wenigen kleinen Misserfolge oder Fehlerchen die vielen Erfolge. Deshalb schreibe in einem Tagebuch alle Erfolge auf, die Du jeden Tag erzielst. Wenn Du es Schwarz auf Weiß vor Dir siehst, erkennst Du erst, wie erfolgreich Du wirklich bist.
 

5. Akzeptiere Lob und Komplimente

Wenn Dir jemand ein Lob für Deine tolle Arbeit ausspricht, nimm es an. Wenn Dir jemand ein Kompliment für Deine Fähigkeiten macht, nimm es an. Du verdienst es. Auch wenn Du (noch) nicht davon überzeugt bist. Rede Deine Leistung nicht mehr klein und schreibe sie nicht wem anders zu. Sag „Danke“ und akzeptiere, dass Du gut bist.


Leidest Du durch das Hochstapler-Syndrom bereits unter völliger Erschöpfung oder unter Angstzuständen, zögere nicht, Dir therapeutische Hilfe zu suchen. Viele Menschen kennen diese erdrückenden Selbstzweifel, Du bist also nicht alleine. Bereits die Erkenntnis, dass es vielen genauso geht wie Dir, kann eine Befreiung sein.

Habe ich das Impostor-Syndrom?

Ob Du das Hochstapler-Syndrom hast, kannst Du anhand dieser Fragen herausfinden:
 

1. Ich hatte in der Schule vor jedem Test Angst zu versagen, meist ohne Grund.

2. Ich finde es schrecklich, beurteilt zu werden.

3. Wenn mich jemand lobt, ist mir das unangenehm und ich rede meine Leistung klein.

4. Meine bisherigen Erfolge haben aus meiner Sicht viel mit Glück und Zufall zu tun.

5. Ich denke immer wieder, dass ich mich in meinem Leben noch mehr hätte anstrengen müssen.

6. Wenn mir etwas gelingt, denke ich, dass ich diese Leistung nicht wiederholen könnte.

7. Ich halte meine Kollegen meist für kompetenter als mich.

8. Ich bin selten mit meinen Leistungen zufrieden.
 

Wenn Du diese Fragen überwiegend mit Ja beantwortet hast, neigst Du vermutlich in manchen Bereichen, zum Beispiel im Job, zum Hochstapler-Syndrom. Doch damit bist Du nicht allein. Studien haben gezeigt, dass zwei Drittel aller Menschen diese Gefühle zumindest zeitweise kennen. Unsere Leistungsgesellschaft trägt viel dazu bei, dass wir uns manchmal unsicher fühlen.

Das Streben nach Anerkennung und Zuwendung ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft. Die Angst, diese Anerkennung nicht zu erhalten, gehört dazu.